New York City Marathon / 06.11.2011

  • So, hier ist nun der Laufbericht - so richtig bin ich immer noch nicht in der hiesigen Zeitzone angekommen ;)


    Laufbericht – 42. ING New York City Marathon 06.11.2011


    Mehr als eine Woche ist vergangen und ich kann es immer noch nicht ganz glauben. Hey, ich war in New York – beim Marathon mit 47 000 anderen Läufern aus aller Welt! Der Laufbericht fängt diesmal schon vor dem Lauf an – New York, oder vielmehr Manhattan mit dem Central Park lagen bereits die Tage davor im Marathon- Fieber. Mit dem Starterbeutel in der Hand wurde man oft auf der Straße / in der U-Bahn angesprochen: Good luck! Bei den kurzen Trainingsläufen im Central Park trafen wir immer wieder auf Laufteams aus anderen Ländern. Lautstark begrüßten wir uns gegenseitig. Auch wenn es gewöhnungsbedürftig in einer solchen Großgruppe war. Ich war mit interAir und Herbert Steffny sowie Wolfgang Münzel und ca. 400! Läufern aus Deutschland unterwegs, die aber nie gleichzeitig auftraten. Aber es gab noch einige andere Reiseunternehmen aus Deutschland. Für die Laufteilnahme war es von Vorteil: gemeinsames Abholen der Startunterlagen, Trainingsläufe zum Kennenlernen des Zielbereichs im Central Park sowie der Transfer zum Start. ...


    Womit ich beim Laufmorgen angekommen bin: Die Nacht war kurz, trotz der Umstellung auf die Winterzeit eine Woche nach Europa. 5:45 Uhr startete der Shuttle-Bus nach Staten Island, die Sonne ging gerade auf, eine tolle Kulisse. Aber es war noch sehr frisch, Raureif auf dem Gras. Schon kurz vor 6.30 Uhr waren wir am Ziel, oder vielmehr am Start gleich hinter der Verazano-Bridge. Ich glaube hierzulande wären alle ziemlich genervt, 3 – 4 Stunden auf den Start zu warten – aber da lag so viel Spannung in der Luft, auch wenn die Augen noch gar nicht richtig aufgingen. Ich hatte - wie empfohlen – ein altes Shirt dabei, vom Reiseveranstalter hatten wir eine dünne Plane bekommen und uns am Vorabend noch eine Pappe zum Draufsetzen organisiert. Ja, und dazu kam das Wetterglück: Es war trocken und mit der aufgehenden Sonne erwärmte sich die Luft allmählich.


    Der Startbereich war topp organisiert: Der Start erfolgte in drei Wellen: 9:40 Uhr, 10:10 Uhr und 10:40 Uhr. Außerdem ist jede Welle noch einmal in einzelne Startblöcke (Corrals) á 1000 Läufer unterteilt. Ich hatte innerhalb der 2. Welle den Corral 26 (Startnr. 26-102). Jeder Corral hatte seinen Zugang, nichts mit Über-den-Zaun-Klettern oder Startblock wechseln. Meinen Startbereich (start village) konnte ich durch die farbliche Markierung auf der Startnr. erkennen: orange, grün, blau. In jedem Bereich waren Kleiderwagen, Verpflegungspunkte, Medicals, Fotografen und zig WC-Häuschen zu finden – ohne eine Schlange. Es wurden reichlich Getränke (Kaffee, heißes Wasser für Tee mit Zitrone, Honig) ... gereicht, auch kleine Wasserflaschen, außerdem Bagel und Power-Riegel. Wer damit nicht zufrieden war, hat sich sein Frühstück mitgebracht. Da es frisch war, verteilte Dunkin Donuts warme Mützen. In jedem Startbereich gab es große Leinwände, wo in mehreren Sprachen die Zeitfenster für die Abgabe der Kleiderbeutel sowie das Aufsuchen der Startblöcke mitgeteilt wurden, außerdem natürlich auch per Lautsprecher. Nachdem ich geschaut hatte, wo ich den Kleiderbeutel (bis spätestens 9.30 Uhr) abzugeben hatte und wo der Zugang zum Start war, griff ich mein Frühstück und suchte mir ein Sonnenplätzchen. Auf der Pappe war es in meiner Sonnenstrahl-Oase gut auszuhalten, zusätzlich wärmte ich mich mit Kaffee und Tee auf, aß etwas. Alle unterhielten sich untereinander, neben mir saßen Chilenen, die mich zum Marathon im April nach Santiago einluden (so konnte ich gleich mein defizitäres, aber völlig ausreichendes Spanisch praktizieren), auf der anderen Seite Italiener, die darauf achteten, dass keiner meinen Sonnenstrahl besetzte. Auf mich machte das alles einen sehr entspannten Eindruck, ohne Hektik und Platz- bzw. Zeitnot (wenn man davon absieht, dass ich mich so gut unterhielt, dass ich beinah die Abgabe meines Kleiderbeutels verpasste). Ein Müllproblem gab es auch nicht, da die Abfälle immer gleich von zahlreichen Helfern eingesammelt wurden. Spätestens eine halbe Stunde vor dem Start musste man seinen Startblock betreten, das habe ich dann auch gut „geschafft“, wo doch Unmasse an Zeit war. Im Startkorridor war gut Luft zum Atmen und – für mich ganz wichtig – es stand WC an WC. Da konnte auch man(n) nirgendwo anders gehen. Offensichtlich hat man die Organisation in den letzten Jahren deutlich verbessert. (Gut, der Preis für eine Startnr. ist auch nicht unerheblich. Ich kann es noch nicht einmal sagen, wie viel die Startnr. über die Zeitqualifikation kostet, aber mir ist auch wie um die 200€.). Da es inzwischen auch schon gut warm in der Sonne war, kam ich da auch nicht ins Frösteln. Einen Gänsehautschauer gab`s dann trotz Sonne am Start, wo traditionell Frank Sinatra mit New York, New York eingespielt wurde und alle mitsangen. Dann erfolgte der Startschuss und die 2. Welle setzte sich in Bewegung und brachte die 3km lange Verazano-Brücke zum Vibrieren. Hier habe ich immer wieder angehalten und Fotos gemacht.


    Der Lauf führte durch alle 5 Stadtteile New Yorks, na gut Staten Island wird da wirklich nur am Rande berührt. Von der Verazano-Brücke ging es zunächst nach Brooklyn, wo wir – wie in allen nachfolgenden Stadtteilen - mit einer starken Stimmungskulisse begrüßt worden sind. Es sollen zweieinhalb Millionen Zuschauer insgesamt an der Strecke gewesen sein, d.h. auf den Brücken steht ja keiner. Also, einfach überwältigend. Und die Zurufe habe ich jetzt noch im Ohr: Good luck! You can do it! That look’s very good! New York loves you! … Um nur einige zu nennen. Die Stimmung schien immer noch steigerungsfähig: Von Brooklyn ging es nach Queens und dann über die schwierige (zugige und langgezogene) Queensboro Bridge nach Manhattan und dort knapp 6km in Manhatten immer die First Avenue ansteigend hinauf. Da brodelte es richtig, und das auch noch bei den Läufern der Welle 3 nach uns. Dann gab es einen kleinen Abstecher in die Bronx, bevor die Strecke wieder zurück nach Manhatten zum Central Park führte. Da war man mitnichten am Ziel, hier ging es noch einmal ca. 5km hügelig zur Sache.


    Die Streckenmarkierung ist in Meilen ausgeschildert, bei jeder Meile wird auch eine Zeitmatte überschritten. Die Zeitnahme erfolgt über einen in der Startnr. integrierten Chip. Alle 5km gibt es Km- Markierungen. Ab Meile 3 (also ca. km 5) gab es an jeder ! Meile Getränke zu beiden Seiten der Laufstrecke: zuerst Gatorade und dann Wasser. An jeder Meile ab Meile 3 gibt es Medical points und WC-Häuschen. Ab irgendwann wird an der Strecke für Bedürftige auch Vaseline zum Einreiben gereicht. Vor Meile 18 gab es eine Powergel-Station. Obst gibt es zwischen Meile 20 und 23. Außerdem haben einem die New Yorker in großen Schalen Kleinigkeiten an der Strecke gereicht: Salzbrezeln, Obst, Schokolade ... Und zum Abwischen Papierhandtücher.


    Das Streckenprofil ist wie bereits geschrieben anspruchsvoll-wellig, ca. 400 Hm, auch gerade im 2. Streckenabschnitt bzw. kurz vor dem Ziel im Central Park. Hinzu kommt der stellenweise recht desolate Zustand der Straßen. Da darf man sich von der riesigen Euphorie am Start nicht zu einem hohen Starttempo hinreißen lassen. In meinem Schnitt hatte ich an keiner Stelle Probleme und ich habe – glaube ich – mein Lächeln bis zum Schluss nicht verloren. Es hat soviel Spaß gemacht. An der Strecke spielten Hunderte organisierte und nichtorganisierte Bands oder es wurde Musik über Lautsprecher eingespielt und wer beim Laufen noch singen konnte, sang bei besonderen Ohrwürmern auch mit. Für beste Stimmung sorgten selbst die Polizisten und Feuerwehrleute. Um den Bericht nicht völlig ausufern zu lassen – ich kann nicht die vielen kleinen Episoden an der Strecke schildern, hier nur ein Ausschnitt: Die Priester, die mit ihrer Gemeinde vor ihrer kleinen Kirche an der Strecke standen oder auch Mitglieder der jüdischen Gemeinde (die z.T. auf abenteuerliche Weise versuchten, die Laufstrecke zu überqueren), die Familien, die bis zur Grandma, z.B. in Brooklyn vor den Häusern standen. Der Streckenverlauf durch alle Stadtteile hat etwas, wer kann schon sagen, alle 5 Stadtteile New Yorks gesehen bzw. durchlaufen zu haben! Neben der ca. 3km langen Verazano-Bridge ist die Queensboro Bridge (ca. Meile 16 – km 25) mit auch knapp 3km sehr eindrucksvoll: Man läuft unter der Bahnstrecke lang und hat vor allem eine tolle Aussicht auf die Skyline von Manhatten, auf die man sich geradezu bewegt. Es wurde allerdings auch ganz schön zugig, so dass ich doch froh war, die Ärmel meines dünnen langärmligen Shirts wieder herunter streifen zu können. Das Wetter meinte es ja gut mit uns. Die Temperaturen stiegen im Tagesverlauf noch auf ca. 15°-16°C an (wenn ich die Temperaturangaben von Fahrenheit richtig umgerechnet habe). Bei Meile 22,5 (km 36) waren wir am Central Park angelangt, der in der Sonne wunderschön in den Herbstfarben leuchtete – eine herrliche Zielkulisse! Die letzten 7km vergingen dann trotzdem viel zu schnell – man musste sich wegen der Hügel auch auf die Strecke konzentrieren, und die Menschen standen hier dichtgedrängt, obwohl die Sieger doch schon reichliche 2h vor mir ins Ziel eingelaufen sind. Am Columbus Circle wurden die letzten 800 m angegeben. Nun ging der Riesenhöhepunkt „schon“ dem Ende entgegen – bei einer solchen Lauf“party“ auch mit einem kleinen Tränchen im Auge. Aber natürlich überwiegt das freudige Gefühl beim Zieleinlauf nach 4:13:08 (meine innere Uhr hat mich ohne viel Zutun – habe unterwegs kaum zur Uhr geschaut – im 6erSchnitt bis zum Ziel geleitet). Die Medaille wiegt schwer. Treffender als der Spruch von Grete Waitz auf der Medaille kann man den Lauf nicht in einem Satz wiedergeben: In New York everyone wins!
    Das Läuferfeld ist um die 4h wohl mit am dichtesten, wir wurden langsamen Schrittes ohne größere Stehpausen durch den Central Park geleitet: Zielfotos, Wärmefolie, Verpflegungsbeutel: je eine 0,5l-Flasche mit Wasser und einem Regenerationsgetränk, Riegel und Apfel. Es gibt keine Stände – alles in einem Pack. Auf dem Weg zum Ausgang stehen hintereinandergereiht die Kleidertransporter, gut ausgeschildert. Alle 50-100m sitzen erhöht Helfer, die alle gut bei Laune halten und von oben schauen, ob alle noch o.k. sind. Daneben stehen startbereit medizinische Helfer. Es dauerte eine Weile, ehe ich am Parkausgang angelangt war, denn mein Kleiderwagen stand ca. 2 Meilen (3km) vom Ziel entfernt fast am nördlichen Zipfel des Central Parks. Aber da ich mich gut fühlte und es auch keine Stehpausen gab, ließ ich mich einfach von der Atmosphäre treiben. Umkleidezelte oder Duschen gibt es hier nicht, Umziehen ähnlich wie in Berlin am Kleiderwagen.
    Außerhalb des Parks strömte die Läuferschar dann zurück zu den vorher vereinbarten Treffs, es gab auch einen für die InterAir-Läufer (Nach-Zielfoto mit Herbert Steffny).


    Am Abend hat sich wer wollte (vom Reiseveranstalter) zum gemütlichen Laufabschluss in einem Pub am Times Square getroffen.


    Am Montag nach dem Lauf findet im Central Park die „Monday Mania“ Expo statt. Da kann man sich die Medaille gravieren lassen und außerdem werden Finisher Shirts, Mützen etc. verkauft. Um 9 Uhr etwa stand bereits eine kleine Schlange. Als ich gegen 11 Uhr den Park verließ, standen Menschen-massen. Die Läufer tragen ihre Marathonmedaille und Finishershirts noch Tage danach in der Stadt, worauf man immer wieder von den New Yorkern angesprochen und beglückwünscht wird. Wie in Berlin gibt es eine Sonderausgabe der New York Times, wo alle Läufer, die unter 5h geblieben sind, abgedruckt werden.


    New York ist nicht nur ein Marathonreise-Ziel. Auch an den Tagen vor dem Marathon stecken viele Stadt- und Museumsbummelkilometer in den Beinen. Und die zwei – drei Tage danach waren ebenfalls angefüllt mit vielen Erlebnissen, es war auch Zeit für einen abschließenden Morgenlauf am Mittwoch rund um den Central Park (ca. 5 – 5,5 Meilen), 7:30 Uhr herrschte ein Betrieb wie im Friedrichshain am Wochenende am späten Vormittag, wobei sicher auch der eine oder andere Lauftourist dabei war.


    Ein besseres Laufgeschenk konnte ich mir zum „Überschreiten des Lebensäquators“ nicht machen. Es war ein unvergessliches (nicht nur Lauf-) Erlebnis! Ein Riesendank geht an Caya in New York, ohne die ich dieses Abenteuer nicht angetreten und nicht so schöne Tage dort verlebt hätte. Hut ab vor ihrem ersten gelaufenen und gefinishten Marathon – in 5:38h, nach weniger als einem Jahr Lauferfahrung, ohne Lauftrainer und Laufgruppe. Congratulations!