Laufinfo: Super-Marathon Rennsteiglauf
Distanz: 72,7km
Start: 6.00 Uhr auf dem Markt in Eisenach (210 Hm)
Ziel: Sportplatz Schmiedefeld (710 Hm) – offizieller Zielschluss 18 Uhr, aber es wird auf den letzten Läufer gewartet
Höhendifferenz: 2440 m
Anstiege: 1470 m
Abstiege: 970 m
Höchster Punkt: 973 m Hm, bei km 62
Gute medizinische Versorgung und Verpflegung unterwegs von vielen ehrenamtlichen Helfern:
Getränke: ca. alle 5-6km, auf der 2. Hälfte z.T. etwas dichter (Mineralwasser, Cola, Tee, 4,5km vor Ende auch Bier, sowie Apfel, Banane)
Verpflegung: ca. alle 10km: mit echten Thüringer Spezialitäten (Haferschleim mit Heidelbeeren u.a. Geschmack, Fett- und Wurststullen), auf dem 2. Teil auch Power-Gel
Streckenmarkierung: zum Glück nur alle 5km
Gepäcktransport zum Ziel (Gepäck liegt dann gut geordnet, aber unter freiem Himmel, bei Regen empfiehlt sich mehrfaches Einpacken in Mülltüten)
WC unterwegs im Wald
Umkleidezelt und warme Dusche im Ziel
Rücktransport per Bus zum Startort (10€)
Unterkunft: Wir - Nikolaus und ich - waren in gerade noch so in einer Wanderherberge, ca. 10km von Eisenach entfernt untergekommen. Mit immer noch vorhandenem „Ostcharme“, aber mit Läuferservice und preiswert.
Es empfiehlt sich, erst recht wenn man dies als Laufgruppe ins Auge fasst, sich rechtzeitig um ein Quartier zu bemühen. Alle Strecken starten aber an verschiedenen, weiter auseinanderliegenden Orten (Halbmarathon in Oberhof, Marathon in Neuhaus).
Die Laufschuhe sind vom Schlamm befreit, die Laufkleidung hängt auf der Leine, der Muskelkater wird gepflegt (die Treppen hoch geht ohne Probleme, 4- 5 Kniebeuge habe ich auch schon probiert, aber die Treppen runter ...). Nun ist Gelegenheit, diesen Lauf noch einmal Revue passieren zu lassen. Als Nikolaus vor einem Jahr nach dem Halbmarathon meinte – nächstes Jahr laufen wir den ganz langen, war ich noch etwas zögerlich. „Geliebäugelt“ hatte ich mit dem Super-Marathon schon früher, aber nach jeder Marathon-Zielankunft am Rennsteig dachte ich und jetzt noch 30km ?? Nee! Also, ohne Nikolaus’ klare Ansage hätte ich das Vorhaben noch weiter vor mir her geschoben. Auch die Vorbereitung war gemeinsam erträg-licher, und noch viel mehr das Gefühl im Ziel, es gemeinsam geschafft zu haben. Und noch eins war für mich im Vorfeld wichtig – es ging um keine Zielzeit bei diesem ersten Ultra-Lauf: Gesund ankommen! Ansonsten muss man - wie Gespräche mit Mitläufern zeigen - deutlich härter (mehr km/Woche) trainieren oder so gute Voraussetzungen wie Jan mitbringen – eine Superzeit und wahrscheinlich auch bergan nur laufend zu erreichen?! Wirklich grandios!
Der Lauftag: 4 Uhr morgens Aufstehen. Laufkleidung, Startnummer!, Wechselsachen ... war alles schon am Vorabend zurecht gelegt, die Nacht war vor lauter Aufregung nicht wirklich lang, wie schon die Nächte in der Woche zuvor.
4:30 Uhr Frühstück in der Wanderherberge. Läufer unter sich, die Kleidungsfrage wurde erörtert und von den vorhandenen Wiederholungstätern wurden noch ein paar Ratschläge an uns „Frischlinge“ – wir waren nicht allein – weitergegeben. Mir war recht flau, aber eine Schrippe + Kaffee bekam ich herunter.
5:15 Uhr Transfer von der Herberge zum Start nach Eisenach.
Dort tönte über den Markt bereits der Schneeschuhwalzer, alles war bei ca. 2000 Teilnehmern sehr übersichtlich und entspannt. Man wurde noch bis kurz vor den Start sein Gepäck los – kein Vergleich mit der Hektik beim Halbmarathon-Start im Vorjahr. Es war recht frisch und die Aufregung trug auch zum Zittern bei. Ich bereute später auf der Strecke, die Handschuhe nicht angezogen zu haben. Aber das Wetter meinte es trotzdem gut – es blieb den ganzen Tag über trocken, ab und an kam auch die Sonne durch. Nur die Temperaturen blieben recht kühl.
6 Uhr Start! Los ging es ins unbekannte Laufabenteuer, natürlich mit dem Rennsteiglied, noch konnte ich singen – wie wird es wohl Stunden später sein??
Den größten Respekt hatte ich zunächst vor den ersten 25km – dem Anstieg auf den 910m hohen Inselsberg. Nach 7km bogen wir auf den Rennsteig ein und etwas später kämpfte sich auch die Morgensonne kurz durch den Frühnebel durch – das bot wie auch im weiteren Streckenverlauf -
keine klare Sicht, aber immer wieder reizvolle Aussichten auf den Thüringer Wald (wenn die Baumlücken es zuließen). Es war zwar vom Anstieg auf den Inselsberg die Rede, aber es ging zwischendurch steil bergab, um bald darauf wieder anzusteigen. Kaum eine längere, gerade Passage dabei. Dazu eine oft vom Regen der Vortage aufgeweichte Strecke – aber ohne Schnee.
9 Uhr – bei herrlichem Sonnenschein, aber nur 3° erreichte ich glücklich den Inselsberg, nach 3h und weniger anstrengend als erwartet. Ein gutes Drittel war geschafft und über die Hälfte der Höhenmeter! So freute ich mich, aber es kamen noch zwei Drittel – es wurde ein Lauf, der mich immer wieder zwischen Genießen und Kämpfen pendeln ließ. An Aufgeben dachte ich nie und zum Glück erst ab der Hälfte der Strecke, wie viele km noch folgen würden – noch einmal so viel! Und ab da wurde es ja weniger. Läuferoptimismus.
Vom Inselsberg ging es steil bergab, das war schlimmer als bergauf und ein wahres Reaktionstraining, aber noch waren die Beine ja fast frisch und es tat noch nicht wirklich weh, es überwog eher die Angst Bloß nicht stolpern! Unterhalb des Inselsberges gab es dann den angekündigten Haferschleim – lecker wäre zuviel gesagt, aber gut temperiert bei der kühlen Witterung und sehr magenfreundlich, dazu mit Geschmack. Ich ließ ihn an kaum einer Station aus. Ab ca. der Hälfte der Strecke bis Abzweig Oberhof teilten wir gute 20km der Strecke mit den Wanderern und Nordic Walkern. Das war aber nicht so nervig wie auf dem Darß, sie nahmen große Rücksicht auf die Läufer und waren keine Behinderung. Oft riefen sie noch eine Anfeuerung. Bergan waren wir sowieso gemeinsam am Gehen. Mit zügigem Gehen bin ich bergauf gut voran gekommen und habe so Kraft gespart. Ca. bei km 44 ging es noch einmal einen langen Anstieg nach oben und da kam der erste und einzige richtige Hammer – ab km 60 hieß es sowieso nur noch durchkommen ... Mir wurde leicht übel und beim Überlegen (das funktionierte noch!) fiel mir auf, dass ich bisher vielleicht etwas wenig an Essen vor allem aber an Flüssigkeit zu mir genommen habe. Das Wasser war sehr kalt und mit leichter Kohlensäure. Mehr als ein paar Schluck bekam ich nicht runter, aber ausgeschwitzt hatte ich bis dahin sicher schon einiges... Zum Glück kam kurz darauf ein Verpflegungs-stand, und ich habe so wie noch nie beim Laufen gegessen: Haferschleim o.k., dann eine Fettstulle!, Zitrone mit Salz und ordentlich dazu getrunken. Man könnte meinen, danach sei mir erst recht übel geworden, aber im Gegenteil – es lief bald wieder gut! Ich habe dann noch 1-2x zur Fettstulle mit Salz gegriffen, ich hatte nach dem Schlabberschleim Appetit auf etwas Herzhaftes, dazu der Salzverlust und es wurde auch alles sehr liebevoll gereicht. Auf Knacker habe ich dann doch lieber verzichtet – schade, dass es die nicht im Ziel gab, da hätte ich gern eine verspeist.
Nach 6h dachte ich: Jetzt kommt das tatsächliche Neuland – länger war ich noch nie laufend unterwegs. Bei km 55 kam das Panorama-Hotel von Oberhof in Sicht – nur noch! 18km. An dieser Stelle kann man mit offizieller Zeitnahme aussteigen, daran dachte ich nicht. Es war 12:45 Uhr und per Lautsprecher wurden gerade die ersten 6 Frauen im Ziel bekannt gegeben. Wahnsinn! Dachte ich. Aber mein Ziel war ein anderes als Sieg – Ankommen – das ist bei so einer Strecke auch ein persönlicher Sieg!
Ab hier wurde es dann immer schwerer – es ging immer wieder, z.T. steil bergab und ich begann tatsächlich Muskelgruppen kennen zu lernen, die ich vorher noch nie so gespürt habe (Sebastians Worte sind mir da sofort eingefallen). Vor allem die Oberschenkel und die unteren Schienbeine – die spüre ich durchaus auch jetzt noch deutlich. Mit einfach „laufen lassen“ bergab ging es dann nicht mehr, Zähne zusammen beißen war angesagt. Auch beim Wechsel von den Geh- zu den Laufpassagen – das Gehen war noch angenehm, aber dann wieder in den Laufschritt überzugehen und besagte Muskelgruppen wahrzunehmen ... Da überwog dann schon der Kampf. Der Kopf sagte nur – wenn Du ankommen willst, musst Du irgendwie vorwärts kommen. Der Laufstil war sekundär. Anfeuernde Zuschauer auf der Strecke riefen, das sähe noch locker aus – ich fühlte mich anders.
Beim Lesen des Streckenprofils am Vortag war mir noch der höchste Punkt der Strecke nach km 60 in Erinnerung geblieben – das jetzt auch noch, dachte ich. Aber da wir ja schon oben waren, habe ich diesen Anstieg kaum gespürt. Die letzten km zogen sich, km 70 wollte und wollte nicht kommen.
Als dann endlich kurz vor 15 Uhr der Zielort Schmiedefeld etwas unterhalb bei strahlendem Sonnenschein zu sehen und auch die Stimmung vom Sportplatz zu erahnen war, konnte ich diesen Moment wirklich genießen. Es waren von dort noch ca. 3km bis ins Ziel, aber es lief trotz Schmerz fast locker.
Nie hätte ich vor ein paar Jahren gedacht, ich würde mich nach 9h noch joggend fortbewegen können. Sehr zur Überraschung standen Jan und Lissy vor dem Einbiegen in die Zielgerade. Es war ein unbeschreibliches Gefühl und eine Wahnsinnsstimmung. Nahezu jeder Supermarathoni wurde namentlich begrüßt. Es war vollbracht – nach geschafften 72,7km bzw. 9:12:56 darf schon mal eine Freudenträne kullern...
Im Ziel gab es für jeden Supermarathonläufer Medaille und Urkunde, Finisher-Shirt und ein Köstritzer, Zielfotos zum Sofort-Ausdruck (gegen Bezahlung), eine warme Dusche, tolle Stimmung und so ziemlich alles, was ein Läufermagen so vertragen kann. Die Sonne schien... Ein tolles Lauferlebnis, wenn auch nicht schmerzfrei. Bei aller Anstrengung ist es ein sehr schöner Landschaftslauf, der fast etwas Meditatives hat – Läufer laufen gemeinsam im Wald bergauf, Waldluft, Stille nur vom Vogelzwitschern unterbrochen. Mit der Zeit läuft man in „vertrauter“ Begleitung, trifft immer wieder auf die bekannten Gesichter, wechselt zwischendurch ein Wort, um dann wieder mit sich auf der Strecke zu sein. Bewunderung habe ich für die Läufer jenseits der 60 und 70, z.T. mit dem Aufdruck 28x, 30x, ... irre!
Wer schon ein paar Marathonläufe in den Beinen hat (so viele sind es mit dem 10. auf dem Darss bei mir ja auch nicht), nach neuen Herausforderungen sucht und wer Natur und Bergen etwas abgewin-nen kann, für den ist einmal im Läuferleben den Super-Marathon am Rennsteig zu laufen fast ein „Muss“.
Fazit und Motto (ein T-Shirt-Aufdruck): Der Schmerz vergeht, aber der Stolz bleibt!
Und: Ich will nicht ausschließen, noch einmal diese lange Strecke in Angriff zu nehmen oder auch einmal die 100km in Biel (Es war zu hören, von der Anstrengung her wären die 72,7km vom Rennsteig den 100 flachen km von Biel recht nahe.). Aber erst einmal keine langen Läufe mehr bis zum Berlin-Marathon... Und erst einmal regenerieren...
(Der Laufbericht ist ein wenig länger geworden, es war ja auch ein langer Lauf! Ich konnte meine Eindrücke und Emotionen einfach nicht auf weniger reduzieren.)