Zugspitzlauf /16.-18.06.17

  • OK, die LG Nord Berlin ist auch am Start :coolman:


    17.06.17 - Supertrail XL - 81,4 Km - 4131 Hm - DM


    Str.Nr. 1075 - Erik Weick - LG Nord Berlin Ultrateam
    Str.Nr. 1076 - Enrico Wiessner - LG Nord Berlin Ultrateam


    17.06.17 - Basetrail XL - 39,3 Km - 1896 Hm

    Str.Nr. 3153 - Mary Blauth - LG Nord Berlin Ultrateam






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  • Laufbericht ZUT Supertrail XL

    Ehrwald – Grainau, 17.6.2017
    81 km , 4 131 positive, 4 379 negative Hm

    Wo beginnen mit dem Laufbericht? Bei Max' Mail: statt der 100km flach in 5km-Runden sollte ich lieber das Abenteuer in den Bergen Salomon ZUT suchen! Zugspitze und Umgebung hab ich schon öfter erwandert ... aber laufen? Würde sich beides überhaupt unterscheiden? Wenn nicht, würde ich ein Zeitproblem bekommen...

    Wie ist ein solcher Lauf anzugehen? Noch nie bin ich länger als ca.12 h gelaufen, auch noch nie 4300 m bergab... bergan schon... Einmal ist immer das erste Mal. Ich hatte große Lust und war sehr gespannt. Es war gut, ein paar Tage Urlaub im Voraus zu machen mit Wanderung zur Akklimatisierung, letzte Überprüfung der Ausrüstung, insbesondere der Trailstöcke - ohne die hätte ich wohl den Lauf nicht beendet. Vor allem aber wollte ich ausgeruht und ausgeschlafen an den Start gehen, um ihn wirklich genießen zu können, über weite Strecken jedenfalls.

    Vorab hab ich die Strecke mit Profil und den Zeitlimits verinnerlicht. Fürs Orientieren auf der Strecke eine große Hilfe. Das Profil war beeindruckend, es sollte so steil kommen... 2x 1000 Hm nahezu am Stück bergan und auch bergab, zu Beginn und am Ende.

    Für die 81km-Strecke gab es 8 VPs, alle bestens ausgestattet. Darüber hinaus ist eine Pflichtausrüstung mitzuführen, mit Rucksack, 1,5 l Trinken, Notfallpack, warmer Kluft... konkret nachzulesen im Netz, fast alles konnte man vor Ort auf der überschaubaren Messe in Grainau noch ergänzen.

    Auf der Pasta-Party am Vorabend war aufgeräumt gespannte Stimmung, Einmarsch der Nationen (ca. 2 500 Läuferinnen und Läufer aus ca.50 Ländern für die Strecken von 24,9 km, 39,3 km, 62,8 km, 81,4 km und 101,6km waren am Start).Manch einer schaffte auf der Party noch 1 - 2 Maß Bier. Ja, wir waren in Bayern.

    Ich hatte am Vorabend alles fertig gepackt, kurz nach 6 Uhr am Samstagmorgen fuhr von Grainau der Shuttle-Bus nach Ehrwald. Ich hatte nur ein paar Minuten zu Fuß bis zum Shuttle. Enrico, Erik, Alex - das LG Nord Team war schon vor Ort. Eine Std. vor Start waren wir in Ehrwald / Österreich. Genügend Zeit, keine Hektik und mal keine Schlange am Frauen-WC. Die Starterinnen-Anzahl war sehr überschaubar. Letzte Fotos, Einchecken zum Start, grobe Rucksack-Kontrolle.
    Es war angenehm frisch, auch die Wettervorhersage für Tag und Nacht war gut- nicht zu heiß und vor allem trocken sollte es werden. Die Sonnencreme hatte ich völlig ausgeblendet und sie gut den Tag mit mir herumgetragen.



    Endlich 8 Uhr Start. Ein paar Meter ging es gemächlich bergan... aber ziemlich bald den ersten Anstieg steil im Wald hoch... der Kreislauf bekam gut zu tun, auch der Kopf: erstes Zeitlimit nach nur 7km, bei 600Hm - 2h... Als ich die erste Markierung 500m zum VP las war ich ziemlich froh. Ca.9Uhr:20... Wasser nachgefüllt und weiter. Fürs Essen - zu früh? Trinken war wichtig. Jetzt ging es auf den ersten Gipfel (laut Profil) auf 2 050 Hm – das Feldernjöchl, unterhalb vom Gatterl (Abzweig zur Zugspitze und unweit der Grenze Österreich - BRD). Hier waren viele Wanderer Richtung Zugspitze unterwegs, haben uns Verrückte teils verständnislos anfeuernd begleitet. Das Feld hatte sich längst auseinander gezogen. Jetzt z.T. über Singletrails bei allem Genießen der Aussicht nicht daneben treten!!! Philipp Reiter war mit der Kamera unterwegs, wartete wohl auf die Spitze der 100km-Läufer und feuerte mit an. Bei km 15 erreichten wir den höchsten Punkt mit 2 200 Hm. Zum nächsten VP, erst km 20, ging es noch angenehm einen Forstweg bergab, ich bin wieder ins zügige Laufen gekommen in der Mittagssonne... Immer noch in der Zeit... Von diesem Abschnitt hab ich viele Bilder im Kopf - von Murmeltieren, zahlreichen Bergwiesen mit Enzian, Schneefeldern, Gipfeln ...



    Magischer Punkt für mich war VP3 Reindlalm, nach 33 km noch nicht mal die Streckenhälfte, aber bereits mit der Hälfte der An- und Abstiegsmeter... der Abstieg schien kein Ende zu nehmen. Oberschenkel und Knie vermeldeten nichts Gutes... kaum Laufschritt, eher Springen... aua... ohne die Stöcke wäre ich hier nicht "vorwärts" (relativ) gekommen... Unten auf1 100 Hm hatte ich über 1h „Vorsprung vor dem Zeitlimit“, freute mich riesig - am medical point deutete man das mit "sieht noch sehr frisch aus"... wieder Wasser nachfüllen, Kartoffeln mit Salz... schnell eine Nachricht in die Welt geschickt ...


    Ich war hier bereits mehr als 7 h unterwegs, kein Hungergefühl... wieviel sollte man wann essen? Bevor der Hunger kommt, das konnte ich durch die Konzentration auf die Strecke nicht immer umsetzen. Für diese Fälle unterwegs hatte ich Gels dabei... und für den Kopf die Gummibärchen von Powerbar... An den VPs gab es nahezu alles, auch Warmes wie Brühe, Suppe, auch Buchweizen und Quinoa. Kaffee, Kuchen, Obst - neben herkömmlich Banane, Orange, Melone. Manche nahmen Berge von Käse und Wurst zu sich. Aber für die 100km waren ja auch bereits 50km absolviert. Ab hier waren alle 5km Markierung, wieviel km noch "to go". Jetzt folgte ein flacher Streckenabschnitt, ich konnte wieder laufen, ich wollte den Schnitt gar nicht wissen... Hauptsache vorwärts.

    Am nächsten VP km 43 in Mittenwald, schon in Deutschland, lag ich über 1h30 unter dem Zeitlimit. Mir war klar, ich würde das nach hinten raus im Dunkeln brauchen... weiter von Mittenwald zum Ferchensee, km 48(1h:45 unter Zeitlimit).. Abendidylle am See, unsereins läuft.Hier hieß es, Wassertank auffüllen, etwas essen, erst in 14 km würde der nächste VP kommen ... vorbei am Schloss Elmau... hin über irgendwelche Hügel zur Partnachklamm... eine tolle Schlucht, schön noch im Hellen hier zu sein, und, dass wir nicht bis ganz runter mussten. Es schmerzte bergab schon sehr... Zähne zusammen beißen, wegkonzentrieren.
    Endlich stand einer mit der frohen Botschaft "nur noch 800m bis zum nächsten VP" (km 62)- die zogen sich...medical point... alles o.B. Ich startete hier etwa 21:20 (cut-off war 23 Uhr) - auf zu den letzten reichlich 1000m hoch... Es gab noch einmal eine schöne Sicht auf die Berge... oder war das schon vorher???


    Stirnlampe aufgesetzt, auch Ärmlinge an, es wurde frisch – in Bewegung bleiben, um nicht ins Frieren zu kommen... die Windjacke war noch als Puffer im Rucksack... anfangs ging es noch stückweise laufend, dann nur noch zügig walkend, ansteigend... wie ich km 69 erreicht habe, weiß ich nicht mehr genau. Ich sah Läufer auf der anderen Seite von oben herunter kommen, es war bereits stockdunkel, und noch nicht das Ende der Fahnenstange... es gab heiße Brühe ... weiter, sonst wird es kalt... es wurde zudem neblig. Ich sah kaum die Hand vor Augen, alles war gut markiert, aber dieses Stück bergan war kribbelig. .. es wurde zusätzlich Bergwacht eingesetzt... immer mal gingen Gruppen vorbei oder machten entnervt Pause... weiter oben Lichter, wie weit noch? Dann plötzlich Licht und die Nachricht, der Wendepunkt ist da, jetzt bergab... im Wanderführer als Höllentorköpfle beschrieben...
    Hier spulte ich nur noch ab... diese ständigen Absätze, springen - wohin... Endlich aus dem Nebel raus... konnte ich die Lichter des VP sehen... aber es dauerte, bis sie erreicht waren. Läufer, die das noch vor sich hatten, fragten wie lange ich gebraucht hätte von oben. Ich konnte es nicht sagen, gefühlt eine Ewigkeit.



    Die nun „nur noch“ 5-6 km bis zum Ziel und weitere 700Hm bergab zogen sich.


    In Abständen roch es nach Feuer – da saßen die Helfer von der Bergwacht, hockten hier die ganze Nacht im Schlafsack, um uns den Weg zu weisen und hoffentlich nicht aktiv werden zu müssen. Die Helfer an den VPs, bei der Bergwacht, für die Markierungen – sie waren Spitze!



    Die Auskünfte freilich relativ, wie auf die Frage, wann denn endlich die Straße in Hammersbach erreicht sein würde (und damit wieder „fester Boden“ unter den Füßen) – „gleich hier unten“... Gleich war bestimmt eine Stunde. Ich wollte endlich aus diesem Stolpersteig raus, wo zusätzlich noch Schilder „Gefährliche Passage“ warnten. Gut, dass es dunkel war... Ich stieg – wie andere – einfach abwärts, unglaublich, wie im Dunkeln die 100km-Läufer runtersprangen, Kopf ausgeschaltet. Da bin ich zu sehr sicherheitsbedürftig, klingt bei einer solchen Tour vielleicht auch unpassend.



    Die letzten 5 km waren km-weise ausgeschildert. Ich nahm sie zwar wahr, auf die Uhr schaute ich schon lange nicht mehr. Ich bekam immer mehr die Gewissheit, wenn ich mir jetzt nichts mehr tue, dann würde ich tatsächlich ankommen...Irgendwann kam sie dann – die Straße von Hammersbach nach Grainau zum Ziel. Das Schild „noch 1 km“ ging fast unter.


    Beinah hätte ich mich am Schluss - zwei Läufern folgend - noch verlaufen, die den Irrtum aber schnell erkannten. Die Beschilderung war im Ort nicht so gleich einzusehen und die Müdigkeit bereits entsprechend.



    Schließlich war der Musikpavillon Grainau und damit das Ziel plötzlich da. Die Lautsprecherstimme verkündete „Im Ziel begrüßen wir Kerstin Hommel von den FH Runners Berlin, in 19h ...“ Es war sehr unwirklich, als wäre nicht ich gemeint. So nahm ich die Medaille beinah mechanisch entgegen. Man erzählte kurz mit Wegbegleitern, Fotos wurden gemacht...


    Der Kopf war voll und gleichzeitig total leer, als hätte jemand Neustart gedrückt.


    Ein Erdinger alkoholfrei – Elektrolyte auffüllen – rutschte so gar nicht runter. Die Müdigkeit brach allmählich durch, und ich setzte mich in Bewegung – finisher-Shirt abholen, duschen , etwas schlafen.


    Nach 2-3h mühsam aufstehen zur Siegerehrung – hören, wie es den anderen ergangen ist. Nichtahnend, dass ich selbst in meiner AK für Platz 2 der Deutschen Ultratrail-Meisterschaft belegt hatte. Natürlich in Ermangelung von weiteren Teilnehmerinnen, aber was wirklich zählt, ist das Erlebnis... unglaublich, was mentale Stärke ausmachen kann. Der Gedanke aufzuhören kam mir unterwegs nie. Eher Durchkommen soweit es geht – Ankommen – das wär’s.



    Mit dieser Erfahrung – einiges ist ausbaubar – steht nächstes Jahr der 2. Anlauf für die Transvulcania fest. Dann nicht nur die reichlich 4 000 Hm hoch – sondern so schmerzhaft es auch werden würde – auch wieder runter und über die Ziellinie kommen.


    Bei aller Qual, freiwillig, nichts ist auf so einer Strecke genau planbar und vorhersehbar – das macht den Reiz mit aus – es ist ein unvergessliches Erlebnis und Höhepunkt, der sich mit Jahresbeginn noch gar nicht abgezeichnet hat. Eher Lauf für Lauf aufgebaut – Schritt für Schritt, der Weg ist das Ziel. Zwar noch etwas muskelverkatert, aber sehr entspannt und gestärkt kehre ich in den Alltag zurück...



    Für die Statistik:


    Auf der Supertrail XL Strecke waren insgesamt 31 Frauen gestartet, 26 angekommen – ich die 26., nach mir noch 3 Männer.
    Von den 153 gestarteten Männern über diese Strecke kamen 121 in Grainau an.

  • Es ist einfach unglaublich, dass es Menschen gibt, die so etwas auf sich nehmen. Für mich käme das nie in Frage - Stand jetzt. Wobei....wenn ich das so lese, dann bekomme ich glatt Lust auf mehr als nur Straßenläufer im Wettkampf gegen die eigene Uhr.
    Aller größten Respekt vor solch einer Leistung!!